Cairo Urban Transformation

Autor:
Lukas Grellmann
Studierender Urban Design

Die UdN war in den vergangen Jahren Austragungsort mehrerer internationaler Workshops und Summerschools. Während des Arbeitens zu wechselnden Fragestellungen erwies sich „Nachbarschaft“ dabei immer wieder als ein zentrales Moment des Arbeitens, egal ob als direkter Forschungsgegenstand oder eher als zusätzlich zu berücksichtigendem Faktor, der sich aus dem Umstand des gemeinsamen Arbeitens und Wohnens in der UdN ergab.

Der „Cairo Urban Transformation Workshop“ stellte explizit die Frage nach Nachbarschaft, wobei auf eine Vorgabe oder Definition des Begriffs „Nachbarschaft“ bewusst verzichtet wurde. 1 Die Arbeit der interdisziplinär zusammengesetzten Teilnehmergruppen in Hamburg und Kairo und zielte also insbesondere darauf ab, eigene Forschungsfragen in Bezug auf Nachbarschaften zu entwickeln und in einem prozesshaften Verfahren, auf Grundlage der verschiedenen fachlichen Hintergründe, gemeinsame Forschungsmethoden zu entwickeln und diese im Verlauf des Workshops praktisch anzuwenden. Während des ersten Workshops in Hamburg kam der UdN dabei eine besondere Rolle zu, denn als Wohn- und Arbeitsort war die UdN nicht nur Ausgangspunkt zahlreicher nachbarschaftlicher Entdeckungsreisen, sondern es bildete sich hier für den Zeitraum von zwölf Tagen auch eine ganz besondere Nachbarschaft, die sich sowohl durch ihre internationale und interdisziplinäre Zusammensetzung auszeichnete, als auch die besonderen räumlichen Gegebenheiten der UdN als Grundlage für einen kreativen und offenen Forschungsprozess zu nutzen wusste.

Die Räumlichkeiten der UdN lassen sich je nach Bedarf als Seminarraum, Speisesaal oder auch als Tanzfläche, Schlafsaal oder Ausstellungsraum nutzen. Den Teilnehmern wurde daher ohne viele Auflagen das Feld überlassen. Es wurden bewusst keine Vorgaben für die Raumnutzung gemacht (Ausnahme: Schlafräume), sondern vom ersten Tag an war es an den Teilnehmeden zu entscheiden: Wo soll gegessen werden? In der UdN oder draußen im Park? Arbeitsgruppen konnten sich je nach Bedarf ihre Nischen zum Arbeiten suchen, und wem es zu eng in der UdN wurde, suchte sich eine Alternative.

“Interessant zu beobachten war, dass Paul (Teilnehmer) und Aleksandr (zu der Zeit Bewohner der UdN und der sein Zimmer mit den Teilnehmern teilte) nach und nach vor das Gebäude der UdN zogen. Sie bauten sich ihre eigene Schlafmöglichkeiten.“ – Katarina Böttger, Organisations-Team

“In der ersten Nacht habe ich in der UdN übernachtet. Es war ziemlich ätzend, nicht das Fenster öffnen zu können. Die Luft war schlecht. Wie sollte es dann mit acht Jungs in dem Zimmer werden. Mir war klar, ich würde ins Zelt umziehen. Das Zelt war für mich ein super Rückzugsraum ins Private. Ich brauch das, gerade wenn man den ganzen Tag mit ziemlich vielen Leuten zusammen ist. Das ist Medizin zum Campkoller.“ – Jean Paul Olivier, Teilnehmer, Berlin

“Primary it was because I had terrible headache while there was pretty much exhausted air; opening windows somehow didn’t work - either for security reasons, or perhaps guys sleeping next to windows would get too cold. And probably because of a kind of psychological pressure. I don’t think that I felt it directly, but subconsciously.” – Aleksandr, UdN-Bewohner

Gemeinschaftlich genutzte Bereiche spielten in der UdN während des Workshops eine bedeutende Rolle, hier traf man sich zum Arbeiten, Essen und Austauschen. Besonders wichtig waren hierbei die Küche und Terrasse mit angrenzendem Garten. Die Küche war zentrale Anlaufstelle – morgens wie abends. Dies wird vor allem bedingt durch die zentrale Lage im Gebäude, ihre offene Struktur und die herausnehmbaren „Fenster“, die das Gebäude zum Garten hin öffnen: Sobald die Fenster aus ihrer Verankerung genommen wurden, kam eine andere Dynamik in die Küche. Sie wurde plötzlich zum Durchgang.

Frühstück und Abendmahl fanden täglich in der UdN statt. Das Küchenteam erwarb die Essenszutaten täglich von umliegenden Märkten und Geschäften. Um einen optimalen logistischen Ablauf zu garantieren, halfen die ägyptischen und deutschen Teilnehmer bei Vorbereitungs- und Abräumarbeiten in der Küche. 2 Zudem richteten alle gemeinsam die wechselnden Gerichte buffetartig neben der Essenstafel an. Bei schönem Wetter wurde diese in den anliegenden Park verlagert, wo sich die Teilnehmenden besonders in den Abendstunden über die Workshoparbeit hinaus kennenlernten. 3

Nach anfänglicher Skepsis einiger Teilnehmenden aufgrund mangelnden Komforts und eines etwas „baustellenartigen“ Flairs, war schon nach kurzer Eingewöhnungszeit deutlich zu spüren, dass dieser Ort durchaus auch seine Qualitäten aufweist: Die UdN bietet aufgrund ihres unfertigen Charakters und der bewussten Vermeidung von Raumdefinitionen Raum zur Improvisation und spontanen Aneignung, was sich inspirierend auf das Arbeiten auswirkte. Die UdN bot den Arbeitsgruppen den nötigen Raum, sich komplett im Gebäude auszubreiten, wer wollte, konnte auch im Park oder Garten arbeiten. Die Wände hingen voller Zeichnungen, Karten und Textpassagen, die den jeweiligen Arbeitsstand der einzelnen Gruppen wiederspiegelten. Die UdN glich im Laufe der zwölf Tage immer mehr einer chamäleonartigen Ausstellung, die tagtäglich ihr Aussehen wandelte und Besuchenden so erlaubte, am Arbeitsprozess teilzuhaben. Die Teilnehmenden erarbeiteten in der UdN disziplinübergreifende Forschungsansätze für die Untersuchung von Nachbarschaften, welche in Hamburg direkt erprobt wurden und dann während des zweiten Workshops in Kairo vier Wochen später weiter entwickelt wurden. 4

Während die Teilnehmer des „Cairo Urban Transformation Workshops“ also ausschwärmten um der Veddeler „Nachbarschaft“ auf die Spur zu kommen, entstand gleichzeitig innerhalb der UdN eine temporäre Nachbarschaft, in der sich alle Nachbarn miteinander arrangieren mussten, Konflikte aushandelten, Alltagsroutinen entwickelten oder einfach miteinander Spaß hatten.

  1. „It is people who make a city tick. It is people who adapt the city how they would want it to be, and its people who define the future of the city. A neighborhood is like the smallest nucleus that can be seen as a micro example of urban collective practices. Our interest is not to study the possible adaptions that an urban planner can exert on a neighborhood but to investigate and examine the adaptions that have been exercised by the neighborhood on the community and the build-up space.“ Auszüge aus dem Call for Paper für den Workshop “Cairo Urban Transformation”
  2. „Preparing brekfast in the morning and taking out the plastic from the window and you can see the park and the green, it has something very peaceful. And having dinner in the park changes the atmosphere…“ Sally Ashour; Teilnehmerin, Cairo
  3. „The difference between a hotel and the UdN hostel is that you have to arrange yourself and you are more helping eachother.“ Maja Mijatovic; Teilnehmerin, Hamburg
  4. “We come from different backgrounds, professions and cultures so each of us tackles what he sees in a different way. So it is a hard thing and a good thing at the same time. And this was the biggest challenge in this project: how can we work together? We had the sociologist doing a map while the architects described. This was one exercise how it would be because we see it in different ways. If I as an architect do it, I do a map. I would do it with proportions in scale, because this is how my eyes work. The sociologist would see something else. So what we did is that I did a text description of a space and a sociologist would do a map of the space. What comes out is what we both did but in a different way.” Mohamed Abo Teira, Teilnehmer, Cairo