Das kommende Fest

Autoren:
Benjamin Pohl, Hans Vollmer
Studierende Urban Design
Im Rahmen des Seminars Urban Territories 2, betreut durch Katja Heinecke & Katrin Klitzke

Mit der situationistischen Methode des Dérive im geistigen Gepäck, machen wir uns auf den Weg, durchstreifen den nördlichen Teil von Wilhelmsburg und durchkreuzen wieder und wieder das Reiherstiegviertel. Durst kommt auf, und mit ihm die Neugier. Ein Feierabendbier, oder zwei am Kiosk. Feierabend, Kiosk? Am Kiosk saugen wir uns fest, irgendetwas hat uns daran gefallen, unsere Neugier geweckt. Uns durstet die Neugier und wir bezahlen mit ihr. Wir hängen herum mit denen die dort herumhängen, stellen Fragen und bekommen Fragen gestellt, beobachten und werden beobachtet. Ehe wir uns dessen bewusst sind, nehmen wir Teil am Alltag des Kiosk, sind teilnehmende Beobachter. Wir erfahren von einem Streit; ob Kiosk oder Trinkhalle. Kiosk, Trinkhalle, was ist der Unterschied? Wir schreiben E-Mails, verabreden uns, treffen eine Expertin. Der Streit interessiert uns weniger als der Alltag am – und das Phänomen – Kiosk. Kiosk, ein Name wofür? Wir recherchieren, lesen und entdecken die Geschichte. Thesen entwickeln sich, lassen sich am Gegenstand begründen, aus Interviews, Beobachtungen, Bildern. Grounded Theory, weitersuchen, neu befragen, Runde für Runde, verdichten oder widerlegen.

Ein Störgeräusch (Serres), eine Intervention trifft uns im Seminar, wir müssen neu ordnen, aus dem Winkel der „Narration“ blicken. Die „Heldenreise“ (Vogler) geistert durchs Gemenge, die „Wasserstelle“ taucht auf. Wir befragen unser Material erneut. Entwickeln Thesen zur Wasserstelle. Min – Max. Was ist Max? Die „offene“ Wasserstelle? Offen, wie verstehen wir „offen“? Ein Begriffsrauschen zischt an uns vorbei. Interkultur? Ein Programm? Barrierefreiheit? Parapolis? Institutionen (Terkessidis)? Wir hybridisieren, verunreinigen die Begriffe. Befragen erneut unser Motiv: Was machen wir hier und warum? Wir befragen die Institutionen und ihre Verfahren, erfahren vom „Kiosk der Kulturen“ der igs, bedienen uns schamlos am Material anderer, was uns nicht schmeckt sezieren wir gnadenlos. Entdecken das Fest, oder wie es sich ankündigt und werfen dem Gewitterhimmel eine Utopie entgegen und eine kleine List zum Test. Das kommende Fest. Es wird ein großes sein.

Abstract:
Eine Untersuchung zur Kioskkultur des Reiherstiegviertels von Wilhelmsburg, welche sich nicht auf die Beschreibung oder schreibende Hervorbringung beschränkt, sondern den Versuch unternimmt, aus alltagspraktischer Perspektive das Entdeckte als Repertoire für Mögliches zu betrachten. Die ethnografische Methode wird hierin um einen programmatischen Ausblick, etwas nach vorn Geworfenes, ein Projekt erweitert. In der Synthese von Empirie und Theorie, mit Bezug zu Michel Serres Konzeption des Parasitären als komplexere Ordnung, und Mark Terkessidis erweitertem Begriffspaar der „Barrierefreiheit“ und der „Interkultur“, ließen sich so die Kioske als Orte einer „Kultur-im-Zwischen“ denken, welche sich durch Zentralität, Differenz und Hybridität auszeichnen. In Synthese von Empirie und historischer Dimension der Kioske entwickelt die Arbeit einen konzeptuellen Begriff der Wasserstelle als eine solche heterogene Zentralität. Wie ließe sich ein solch utopisches Fest der offenen/“Barriere freien“ (Terkessidis) Wasserstelle und der Vielheit für Wilhelmsburg denken und welches wären die kleinen Schritte „im nahen Wirklichen“ (Lefèbvre) dahin zu gelangen?

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