Ganz großes Kino

Autoren:
Maria Burkhardt
Sebastian Saatweber
Studierende Urban Design

Im Rahmen des Seminars IKP - Interkulturelle Praxis, betreut durch Ben Becker und Prof. Bernd Kniess
Winter 2011/12

Kommt überhaupt jemand?

Der Eingang wird von Strahlern hell erleuchtet, der rote Teppich ist ausgelegt und an der eigens für das Kino erbauten Bar warten wir auf die ersten Besucher. Schon 18:55 Uhr! Um 19 Uhr soll die erste Filmvorführung mit dem Film „Wholetrain“ starten. In dem kleinen Aufenthaltsraum vor dem Kino sitzt bis dahin ein Besucher, der durch die Tatsache, dass er der einzige Gast ist, selbst etwas unsicher wirkt... Doch dann geht‘s los! Immer mehr Gäste betreten über den roten Teppich die Universität der Nachbarschaften. Zu unserem Erstaunen besteht die Besucherschaft aus verschiedensten Personengruppen. Der erste Film sollte für Jugendliche sein und wurde an Schulen beworben, doch es kommen alle Altersklassen: Jugendliche, junge Erwachsene und sogar ältere Damen, die aufgrund unserer Verteilung der Kinokarten auf dem Stübenplatz gekommen sind. Schnell füllen sich die Räumlichkeiten der UdN. Das Popcorn und zahlreiche Getränke gehen über die Bar. Die Besucher bestehen zum größten Teil Wilhelmsburgern. Unsere Euphorie wächst. Das erstrebte Ziel am Anfang unserer Arbeit, ein Kino in Wilhelmsburg für Wilhelmsburger zu entwickeln, scheint erfüllt. Stille kehrt ein. Die Besucher haben sich in den Kinosaal begeben und der Fall, den wir nicht erwartet hätten, tritt ein: Wir haben zu wenig Plätze! Hektisch und mit Hilfe der Gäste werden schnell weitere Stühle in den Saal platziert, bis jeder Quadratzentimeter gefüllt ist. Vereinzelt kommen weitere Gäste, die sich entweder noch eine Nische suchen oder ankündigen, zu der zweiten Vorführung zu kommen. Der erste Film beginnt...

Kleine Kinogeschichte Wilhelmsburg

Während der 60er Jahre gab es in Wilhelmsburg zahlreiche Kinos. Doch schon 1987 wurde das letzte Kino, das “Rialto”, geschlossen. Seitdem steht das Gebäude leer. Es ist mit den Jahren immer mehr zerfallen und gleichzeitig zu einer melancholischen Erinnerung geworden. Seit 2001 gibt es einige Initiativen, die immer wieder Filmvorführungen anbieten, aber ein festes Kino ist daraus nicht entstanden. Durch die Präsenz des Rialtos ist “Kino” ein Thema auf den Elbinseln geworden, das seither immer wieder diskutiert wird und dadurch aufzeigt, wie groß das Bedürfnis nach einem neuen Kino ist. Mit unserem Projekt haben wir dieses Thema aufgegriffen und den städtischen und gesellschaftlichen Raum “Kino” untersucht. Unser Ziel war es herauszufinden, wie ein “Wilhelmsburger Kino” aussehen könnte, und es an einem Abend Realität werden zu lassen.

Konflikte, Musik und Wein

Während des zweiten Films erscheinen unerwartete Gäste. Gegner der IBA wollen die ganze Veranstaltung stürmen und zu Fall bringen. Jedoch bemerken Sie, nach einigen Gesprächen mit uns und Matze, dem Bewohner eines Bauwagens auf dem Gelände der UdN, schnell, dass hier anscheinend nach Ihren Vorstellungen keine „traditionelle IBA-Veranstaltung“ abläuft. Sie ziehen sich wieder zurück und hängen noch ein Banner auf, auf dem steht: „IBA & IGS abkotzen“.
Jetzt haben wir auch endlich entschieden, welchen Film wir als „Mitternachtskino“ zeigen. Auf „Cry Baby“, ein Musical Film mit Johnny Depp, ist unsere Wahl gefallen. Eine Stunde vorher! Diesen kündigen wir nach Cinema Paradiso an, mit der Ansage, dass die weitere Vorstellung in lockerer Atmosphäre, bei Gesprächen und Getränken gezeigt werden soll. Diese hielten bis zum Morgengrauen an. Einige Besucher ließen Johnny Depp im Kinosaal auf sich wirken, andere feierten an der Bar und weitere standen draußen und unterhielten sich angeregt über die Veranstaltung.
Allen Problemen zum Trotz und durch die gemeinsame Begeisterung für das Kino haben am Ende alle mitgeholfen und das „Ganz große KIno“ unterstützt. Einige wenige Besucher trinken noch ihr letztes Bier und gemeinsam wird die UdN geschlossen, die Lichter gehen aus. Zu unserem Erstaunen ist der erste Gast, der alleine in der Lounge saß und sich nur den ersten Film schauen wollte, am Schluss immer noch da, und der letzte der mit uns zusammen das „Ganz große Kino“ verlässt.