Log 5

Autor:
Benjamin Becker

Nach dem Auszug aus dem
UdN-Bautagebuch vom 26.05.2010

Protokollant: H. Vers
Temperatur: 20°C / Wetter: regnerisch
Bauteam: Kristina, Hanna, Romano, Nico
Eingesetzte Maschinen: Bosch-Schlagbohrer, Stemmhammer, Brechstange
Ausgeführte Arbeiten: Wände im Flur zur Wohnung wegstemmen (Menge: 2, Fertigst: 18.00 Uhr), Schutt abtragen, Weiterstemmen mit Mr. B.
Baustoffe: -
Bemerkungen: Die Berserker-Jungs haben frei. Frau Lorenzen hat Knöchel umgeknickt.

Stemmen

“Eigentlich wollen wir stemmen“, antworten Hannah Vers und Kristina Lorenzen auf die Frage, welchem Bauteam sie sich anschließen wollen. Kein Problem. Wände, die abgebrochen werden müssen, gibt es an der UdN im Mai 2010 nach wie vor in ausreichender Anzahl. In die kleinteilige Amtsstubenarchitektur des ehemaligen Gesundheitsamtes sollen Löcher, Schneisen, Öffnungen geschlagen werden. Wo sich zuvor kleine und kleinste Untersuchungszimmer und Umkleidekabinen verschachtelt aneinander reihten, muss der Raum nun offener, durchlässiger werden, sich unterschiedlichen Funktionen und Funktionsüberlagerungen öffnen. Darauf zielt ein Großteil der bereits erfolgten und noch geplanten baulichen Maßnahmen: durch Rückbau räumliche Potentiale freilegen. Dem vertraglich vereinbarten, späteren Abbruch des Gebäudes wird konstant vorausgegriffen. Mit dem “Bauen“ an der Universität der Nachbarschaften ist eigentlich ein permanenter, qualifizierender Rückbau des Bestands gemeint. Gleich der erste größere Bauabschnitt macht die Vorgehensweise deutlich: Teile der Decke und des Dachs in unmittelbarer Nähe zum Haupteingang werden abgebrochen. Es entsteht das großzügige, lichtdurchflutete Küchenfoyer. Durch gezielten Rückbau einzelner, weniger Elemente öffnet sich die geduckte Architektur in die Vertikale. Später wird hier, an zentraler Stelle, dem Ort an dem sich alle Wege im Gebäude kreuzen, an dem bereits gemeinsam gekocht und diskutiert wird, mildes Licht durch ein transluzentes Atriumdach fallen, auf dem sich das Schattenspiel der angrenzenden Parkbäume abzeichnet.

Jetzt, im Mai 2010, ist viel Fantasie nötig, um das zu erahnen. Der Hamburger Regen fällt unaufhörlich durch die Deckenöffnung ins Gebäude und sammelt sich in schlammigen Pfützen auf dem Betonestrich. Aus dem südwestlichen Gebäudetrakt dröhnt das ohrenbetäubende Hämmern des Schlagbohrers. Hannah und Kristina haben sich längst dem Team von Nicolas Wolter und den Berserker-Jungs angeschlossen und bearbeiten ohne Unterlass die Wand eines langestreckten Flurs, der einem Workshop- und Ausstellungsbereich weichen soll. Kostenloses Workout, nennen sie das.

Später dann, irgendwann im Sommer, als längst internationale Studierende einer Summerschool die freigestemmten Workshopräume in Beschlag genommen haben, trudelt ein Paket im Büro des Fachgebiets Urban Design ein: Hanna und Kristinas Dokumentation ihrer Baustellenerfahrung. Ein gestrickter Bosch-Schlagbohrer, detailgetreu mit Kabel, Netzstecker, und Meisel aus Wolle und Watte. Der „Kuschelhammer“, für die langen, erschöpften Nächte, in denen das Vibrieren in Armen und Beinen nicht nachlassen wollte, in denen einen gleichzeitig aber auch die Sehnsucht nach der Baustelle, dem nächsten UdN-Workout, der nächsten abzubrechenden Wand nicht einschlafen ließ.