Log 7

Autor:
Benjamin Becker

Nach dem Auszug aus dem
UdN-Bautagebuch vom 26.08.2010

Protokollant: L. Gersbach
Temperatur: 18°C / Wetter: durchwachsen
Bauteam: 1,2,3
Eingesetzte Maschinen: Stichsäge, Akkuschrauber, Tackermaschine
Ausgeführte Arbeiten: Fertigstellung des Windschutzes am Küchentor-Provisorium, Aufhängen eines Regenschutzes (Problem mit den Tackernageln, Fertigst: erfolgt)
Baustoffe: Holz, Plane, Seile
Bemerkungen: Schwierigkeiten beim Aufhängen der Plane, Hr. Mihm ist zu stark!

Provisorium

Im Frühling 2010 entscheidet man sich dafür, die Brüstung des Fensters im Küchenfoyer abzubrechen und den Raum zum Park hin großzügig zu öffnen. Da hatte sich das nachbarschaftliche Kochen in der sogenannten Interkulturellen Küche längst etabliert. Das Fenster war bereits zur Durchreiche Richtung Parkterrasse umfunktioniert worden, was den Wunsch nach einem noch stärkeren räumlichen Bezug zur Öffentlichkeit im Rotenhäuser Feld hatte aufkommen lassen. Kaum ist der Durchbruch in der Küche erfolgt, dauert es nicht mehr lange, und mit den parkseitigen Fenstern des Veranstaltungsaals wird in gleicher Weise verfahren. Für die drei riesigen, gähnenden Löcher in der Westfassade der UdN muss nun schleunigst eine Lösung gefunden werden. Man entscheidet sich dafür, die beiden Öffnungen im Veranstaltungssaal als Festverglasungen auszuführen, während die Öffnung im Küchenfoyer ein mit Polycarbonat-Doppelstegplatten beplanktes Schiebetor erhalten soll. Angebote von Fensterbauern werden eingeholt: das Schiebetor soll 6600 Euro kosten, dabei sind die Polycarbonatbeplankung sowie die Montage vor Ort noch gar nicht im Preis inbegriffen. Die Schiebetorvariante wird vorübergehend fallen gelassen, die Öffnungen klaffen immer noch an der Fassade. Also entsteht im Juli schließlich ein Provisorium: Aus Dachlatten baut man große Fensterrahmen, die mit transluzenter Plastikfolie bespannt auf zuvor in die Fensterleibungen verkeilte Holzrahmen geschraubt werden.

Schon im ersten Monat nach Installation des Provisoriums, geht man dazu über, die lediglich mit ein paar wenigen Schrauben befestigten Fensterrahmen von ihrer Unterkonstruktion zu lösen, beiseite zustellen und die Spätsommersonne über die volle Breite der nun offenen Westfassade ins Gebäude scheinen zu lassen. Im Gebäudeinneren rahmen die Fassadenöffnungen den Park wie bewegte Bilder, die Grenze zwischen UdN und Rotenhäuser Feld wirkt aufgehoben. Blicke nach außen verlieren sich zwischen den Bäumen der angrenzenden Allee. Schaut man vom Park aus auf das Gebäude, blickt man wie bei einer Vivisektion in die quirligen Eingeweide des offengelegten Hauses.

Das Leben mit den Qualitäten des Provisoriums macht deutlich: Es ist genau diese überraschende Offenheit des Gebäudes in beide Richtungen, die man sich für die Lösung der Fensterfrage gewünscht hatte. Also entwickelt man Details zur Verstetigung des Vorläufigen. Mit Unterstützung der Metallwerkstatt von Arbeiten Lernen Hamburg (ALH) bauen die UdN-Baustellenpraktikanten drei große, mit Polycarbonatpanelen beplankte Aluminiumtore. Die Kosten für alle drei Tore belaufen sich letztendlich auf ein Drittel der für das Schiebtor veranschlagten Summe. Wie zuvor das Provisorium, lassen sie sich die Tore über neun Flügelmuttern in der Fensterleibung fixieren oder mit geringem Aufwand daraus entfernen. An sonnigen Tagen öffnen sich nun weite Teile der UdN mit wenigen Handgriffen den Aktivitäten im Park.

Luxus erwächst hier nicht aus finanziellem Überhang. Luxus bedeutet auf dieser Baustelle die Freiheit, den Planungsprozess so lange offenzuhalten, bis sich die performativen Qualitäten der zu entwickelnden Architektur über ihren Gebrauch ermitteln lassen.