PiratenGarten

Autoren:
Katrin Hovy, Franziska Meichelböck,
Tabea Michaelis, Christian Scheler
Studierende Urban Design

Im Rahmen des Seminars
Urban Territories 2


Piratenschiff und Küchengarten - Gedanken und Fragmente

Ein Stück kultivierte Fläche, ein ‚Hortus Conclusus’ zwischen dem unbändigen Dickicht aus Brombeerranken, Felsenbirnen, Feldahorn, wilden Narzissen, Holundersträuchern und Brenneselrabatten. Wo finde ich jemals eine Lichtung! Unmöglich.

Mein Alltag befindet sich jetzt in der UdN. Die UdN als Forschungsstation und temporäres Zuhause wird auch zu einem Ort des Wäschewachsens, Kochen, Schlafen... Wobei die Küche, das Zentrum des Forschungsalltages bildet. Jedes Mal wenn ich diesen Raum betrete muss ich an Mikage und ihren Lieblingsort in dem Buch »Kitchen« denken. »The place I like best in this world is the kitchen. No matter where it is, no matter what kind, if it‘s a kitchen, if it‘s a place where they make food, it‘s fine with me. Ideally it should be well broken in. Lots of tea towels, dry and immaculate. White tile catching the light (ting!ting!). I love even incredibly dirty kitchens to distraction – vegetable droppings all over the floor, so dirty your slipper turn back on the bottom. Strangely, it‘s better if this kind of kitchen is large. I lean up against the silver door of a towering, giant refrigerator stocked with enough food to get through a winter. When I raise my eyes from the oilspattered gas burner and the rusty kitchen knife, outside the window stars are glittering, lonely.« (Banana Yoshiomoto 1993; 3f) Aber was wiederum ist eine Küche ohne einen Garten? Nach Michel Foucault ist der Garten das älteste Beispiel einer »Heterotopie aus widersprüchlichen Orten«. Heterotopien sind Orte, »die ausserhalb aller Orte liegen, obwohl sie sich durchaus lokalisieren lassen. Diese Orte sind allerdings völlig anders als all die Orte, die sie spiegeln und von denen sie sprechen.« Mit und durch den Garten betreten wir andere uns (un-)vertraute Orte und bewegen uns durch ,andere Zeiten‘ hindurch. Wir spiegeln uns im Garten. Wir wandern zwischen den Zeiten, zwischen den Kulturen. Zudem besitzen »Heterotopien«, so Foucault, die Fähigkeit, mehrere reale Räume, mehrere Orte, die eigentlich nicht miteinander verträglich sind, an einem einzigen Ort nebeneinander zu stellen.« Es scheint phantastisch, schwerelos – unendlich. Wir segeln. Der Garten bildet diese »kleinste Parzelle der Welt und zugleich ist er die ganze Welt. (…) Der Garten ist ein Teppich, auf dem die ganze Welt in symbolischer Vollkommenheit erscheint, und der Teppich ist gewissermaßen der im Raum bewegliche Garten. (…) Wir fliegen. Der Garten wandert mit uns mit. Ein Paradiesgarten auf Achse. Der Garten ein Begleiter. Der Garten, der gleich mit ins Haus zieht und geduldig neben den Kochtöpfen auf seinen Einsatz wartet. Ein Hausgarten – ein Gartenhaus. Dann – unverhofft. Stoße ich auf das verloren geglaubte Fundstück – das ehemalige Piratenschiff. Noch vor zwei Jahren segelte dieser Einkaufswagen während dem »WilhelmsburgLabor! Made in… Lokale Praktiken urbaner Produktion« mit den Wiener Gehsteig-Guerillas über die Wilhelmsburger Trottoirs bis zur HafenCity und zurück. Jetzt aber ist das Schiff neben den Müllcontainern gestrandet. Verloren. Vergessen. Wait! Kurzentschlossen lege ich dieses mit Vlies aus und fülle es mit Erde. Bepflanzt wird das Innere mit verschiedenen Tomatenpflanzen, angezogen von den Erstsemestern. Verschiedene Kräutertöpfe vom lokalen Markt seitlich an den Korb gehängt, Kapuzinerkresse hier und da gesät. In between. PET-Flaschen mit Wasser gefüllt und zwischen die kleinen Tomatenpflanzen gesteckt. Tröpfchenbewässerung. Und dann geht es auch schon gleich los. Eine wilde Rallye immer auf der Suche nach dem sonnigsten Plätzchen beginnt. Der Garten begleitet mich, zieht als Hausgarten bei Gewitter mit uns ins Innere. Wartet als Küchengarten geduldig neben den Kochtöpfen auf seinen Einsatz. Ein Paradiesgarten auf Achse in einem sehr trüben, regnerischen Sommer.