Weiterwohnen

Autoren:
Aron Bohmann, Katrin Hovy, Charlotte Herbst
Studierende Urban Design

Im Rahmen des Urban Design Project 2
Sommer 2012


Der Charakter von Alt-Kirchdorf ist im Großen und Ganzen bis heute erhalten geblieben. Schaut man genauer hin, sieht man, dass sich in den letzten Jahrzehnten doch einiges verändert hat. Die ursprünglich sehr kleinen Doppelhäuser mit großem Garten wurden vielfach an- und umgebaut. Die Ursachen der Anpassungen sind vielfältig. Zum Teil haben die Bewohner auf externe Faktoren wie den zweiten Weltkrieg oder die Sturmflut reagiert, andererseits führten familiäre Veränderungen, wie Kinder, Umzüge, Todesfälle etc. zu Modifikationen am Haus. Der Umstand, dass die Siedlung Anfang der 1930er Jahre gebaut wurde, hat zur Folge, dass viele der Familienbiographien einen ähnlichen Startpunkt und Verlauf haben, familiäre und bauliche Veränderungen weisen eine gewisse Synchronität auf. Neben den Anpassungen der Erstbewohner kommt es in den letzten Jahren vermehrt zu Zuzügen neuer Familien. Auch diese Familien passen sich die – bereits zuvor veränderten – Häuser wiederrum ihren eigenen Bedürfnissen an. Ein weiterer Transformationszyklus beginnt.

Die große Gartenfläche bleibt trotz allen Umbaumaßnahmen deutliches Charakteristikum der Siedlung. Alleine die Funktion hat sich vom Nutzgarten hin zum Freizeitgarten gewandelt, er stellt zusätzlich eine Erweiterung der Wohnfläche da.

Die nachfolgende Erzählung der Familie Meier steht hier exemplarisch für vergleichbare familiäre Situationen der Erstbewohner und externe Einflüsse, denen die Siedlung ausgesetzt war. Sie hat Modellcharakter für andere Bewohnerbiographien. In der Arbeit „Weiterwohnen“ werden insgesamt sechs Familienbiographien in ihrer Wechselwirkung mit der baulichen Substanz untersucht.

Familie Meier baut um
Familie Meier wohnte sehr beengt mit acht Kindern im Ursprungshaus. Nach der Zerstörung des Hauses im zweiten Weltkrieg lebt die Familie für fünf Jahre in einem von Marias Vater aufgebauten Behelfsheim im Garten. Erst 1950 wird das Haus in nahezu gleicher Bauweise, allerdings ebenerdig, wieder aufgebaut. 1953 heiraten Helmut und Maria Meier, 1954 kommt die erste Tochter Martina zur Welt. Zu diesem Zeitpunkt wohnen sie auf die oberste Etage und das Untergeschoss Etage verteilt, während die Mutter das Erdgeschoss bewohnt. Das Plumpsklo steht noch im Garten.
Das gesamte Untergeschoss und Teile des Erdgeschosses werden während der Flut 1962 überschwemmt, danach wurde die Familie mit Desinfektionsmitteln, Getreidetrocknern und mit geringen finanziellen Mitteln unterstützt. Als Helmut und Maria Meier einige Zeit nach der Flut überlegen auszuziehen, überredet sie Marias Mutter doch zu bleiben, und das Haus wird auf die Tochter Maria überschrieben. Die Geschwister hatten zu diesem Zeitpunkt schon alle geheiratet und waren aus- und weggezogen. Der große Anbau findet 1974 statt. Der Rohbau wird von Fachleuten vorgenommen, alle Innenausbauten führt Helmut Meier selbst durch. Für den Anbau der Garage lässt Herr Meier einen Betonmischer und Betonpumpe kommen und baut sie komplett selbst. Für das Dach holt er sich fachliche Unterstützung.
Nach dem Tod der Mutter wird das komplette Ursprungshaus saniert und eine weitere Küche eingebaut. Nun existieren zwei völlig unabhängige Wohneinheiten, nur der Eingang wird gemeinsam genutzt. Zunächst wohnt die Tochter Simone mit ihrem Ehemann in den oberen Geschossen, nach ihrem Auszug zieht die Enkelin Simona für kurze Zeit ein. Heute wohnt das Ehepaar Meier zum ersten Mal alleine in dem Haus. Doch bei Bedarf wohnen auch heute noch die Enkelkinder in den oberen Geschossen, bei Familienfeiern sind die oberen Räume die Spielzimmer der Urenkel.