Zugänge | Übergänge | Eingänge
Im Zuge eines Dérives (Debord 1990[1958]) 1 durchstreiften die Studierenden das Terrain rund um den Kunstverein in Hamburg und erarbeiteten ihre Perspektiven und Raum-Erfahrungen. So befanden wir uns beispielsweise auf einem Atoll aus verschiedenen Verkehrsinseln, spürten verschiedenen Bewegungen und Geschwindigkeiten nach, erkundeten Unterführungen und Überlagerungen und gelangten auf die Kreuzung. Von dort aus ließen sich Sichtbarkeiten und Zugänge zum Kunstverein ausmachen, gleichsam aber auch Schwellen erkennen, die im weiteren Verlauf zur Auseinandersetzung mit der Frage um die Vermittlung führte.
„Infrastrukturgestaltung ist Handlungsgestaltung“ (Keller Easterling 2010: 26)
Durch die Aneignung des Foyers wurde eine Situation geschaffen, die es dem Seminar erlaubte, ins Arbeiten zu kommen. Die Studierenden setzten sich zunächst mit der Frage „Wo sind wir hier?“ auseinander. Der Aneignungsprozess bewegte sich dabei nicht nur praktisch – durch die Tätigkeit des Tische-und-Bänke-Bauens – sondern auch theoretisch-methodisch auf ein erweitertes Verständnis von Infrastruktur zu, das durch die Lektüre und Diskussion von Keller Easterlings Text „Die Aktion ist die Form“ aufgemacht wurde.
„Ein Objekt oder eine Aktion wird nicht als kleines Selbst anthropomorphisiert, das Stimmung und Intentionalität besitzt, aber das Ausmaß, in dem es in der Welt »einen Unterschied macht«, bestimmt Einfluss, Intention oder Information.“ (Easterling 2010: 27)
2
Die Frage, wo wir uns befinden – im Kunstverein in Hamburg – konnte aus dieser Perspektive heraus als Aufforderung verstanden werden, die eigene Situiertheit näher zu betrachten. So ging es weniger darum, den Ort zu erklären, sondern vielmehr darum, ihn aufzuschließen, die für das Seminar zentralen infrastrukturellen Möglichkeiten des Foyers zu erkunden. „Durch eine veränderte Denkweise bilden sich auch künstlerische und politische Fähigkeiten heraus, das Objekten und Organisationen immanent ist. Sie stellen ein unzureichend genutztes Terrain dar, in dem die Aktion die Form ist.“ (ibid.: 28) Wenn die Aktion, die Tätigkeit, das Tun die Form ist, lassen sich die Dispositionen als Möglichkeiten erkunden, die Anordnungen von räumlich-sozialen-politischen-diskursiven Elementen als bereits vollzogene Handlungen oder als im Werden begriffene, zukünftige Handlungspotenziale verstehen. „Infrastruktur trägt, ob sie nun aus digitalen, baulichen oder urbanen Komponenten besteht, eine Disposition in sich. [...] Sie konstituiert kein Ereignis, sondern muss vielmehr über längere Zeit als Potenzialität, Kapazität, Fähigkeit oder Tendenz beobachtet werden. Ihre Aktivität beruht nicht auf Bewegung, sondern auf den sich entfaltenden Beziehungen, die ihrem Arrangement inhärent sind. Infrastrukturgestaltung ist Handlungsgestaltung.“ (ibid.: 26)
Saskia Sassen nimmt in ihrem Text „Urban Capabilities“ eine Perspektive ein, die motivisch an Keller Easterling anschließt. Sie setzt sich mit den Grenzen in aber auch der Stadt auseinander und beschreibt schließlich die Stadt als »frontier zone«, die sowohl ausschließt und entzweit, als auch Möglichkeiten für neue Formen der Handlungsfähigkeit eröffnet und diesen Raum bietet. Die Stadt als Prozess, als Versammlung von Akteuren und (Infra-)Strukturen bietet Möglichkeiten, Ausschlüsse sichtbar zu machen und damit in die diskursive und materielle Präsenz zu überführen. „This signals the possibility of a new type of politics, centred in new types of political actors. This is one instance of what I seek to capture with the concept of »urban capabilities«. It is not simply a matter of having or not having power. There are new hybrid bases from which to act. One outcome we are seeing in city after city is the making of informal politics.“ (Sassen 2012: 226) 3
„Today’s political practices, I would argue, have to do with the production of ‘presence’ by those without power and with a politics that claims rights to the city rather than protection of property.“ (Sassen 2012: 233)
- Debord, Guy (1990): Einführung in einer Kritik städtischer Geographie. In: Edition Nautilus (Hrsg.): Der große Schlaf und seine Kunden. Situationistische Texte zur Kunst, Zürich, S. 25-32 ↩
- Easterling, Keller (2010): Die Aktion ist die Form. In: Derive Nr. 40/41, Understanding Stadtforschung, S. 25-31 ↩
- Sassen, Saskia (2012): URBAN CAPABILITIES: AN ESSAY ON OUR CHALLENGES AND DIFFERENCES. Journal of International Affairs, Spring/Summer 2012, Vol. 65, No. 2., The Trustees of Columbia University in the City of New York ↩