UD teaching
KOMPOSITION DES STÄDTISCHEN
Christopher Dell
Einführung
Der Begriff der Komposition gilt traditionell als zentrale Denkfigur des Gestaltens. Aber was bedeutet der Begriff genau? Wie verändert er sich im Lauf der Geschichte? Und warum sollte man ihn behandeln? Das Interesse am Begriff entzündet sich zunächst am Problematischwerden der Frage nach der Art und Weise, wie man heute Stadt verstehen soll. Zum Problem wurde vor allem die Erkenntnis, dass man, wenn man Stadtwirklichkeit analysieren will, den Blick nicht auf ein abgezirkeltes Objekt ‚der Stadt’ sondern auf einem von Unbestimmtheit durchsetzten Prozess ‚des Städtischen’ richtet.1 Innerhalb dessen taucht die Frage auf, wie dieser Prozess organisiert und geordnet ist. Das Thema der Ordnung und ihrer Produktion führt seinerseits traditionell zu Themengebiet der Komposition. Indes, lässt sich der Prozess des Städtischen in seiner Unbestimmtheit noch als Komposition begreifen? Die Angelegenheit verkompliziert sich, wenn in Betracht gezogen wird, dass es sich um eine zweiseitigen Fragestellung handelt: Einerseits muss man nach einer kompositionalen Form suchen, die die Unbestimmtheit des Städtischen zum Grund ihrer Bestimmung macht. Andererseits wird relevant, wie eine solche kompositionale Form dargestellt wird und darüberhinaus welche Komposition der Darstellung an ihr wirkt. Angesichts dessen findet die hier vorgenommene Erforschung der Komposition ihren konkreten Untersuchungsgegenstand an Büchern der Stadtforschung. Diese Bücher demonstrieren nicht nur exemplarische Sichtweisen auf die Komposition der Stadt ihrer jeweiligen Epoche. Auch präsentieren sie spezifische Darstellungsweisen der Suche danach, Stadt als Prozess zu verstehen. Mit anderen Worten: Sie entfalten Repräsentationsräume des Wissens über Komposition als Komposition. Wie eminent wichtig dabei die Modi sind, in denen Bücher als Komposition der Kompositionen und als visuelle Regime einer Organisation der Darstellungsräume auftreten, illustrieren die in diesem Band vorgestellten Bücher Learning from Las Vegas von Venturi/Scott-Brown/Izenour, Made in Tokyo von Atelier Bow Wow und Collage City und Rowe/Koetter aufs Eindrücklichste. Ihre Wirkmacht lässt sich in ihrer Fülle
erst denken, wenn man die Darstellungsräume, die sie schufen, in kompositionaler Perspektive begreift. Wo das Augenmerk des Seminars auf Architektur und Städtebau liegt, so ist Komposition als die Ökonomie einer Verteilung und Anordnung der Elemente des Städtischen zu fassen. Ich nenne diese Ökonomie‚ das Arrangement’. Ein solches Arrangement tritt auf sechs Ebenen auf, die im Folgenden zu unterscheiden sind. Man kann erstens von dem Arrangement der gebauten Umwelt sprechen. Damit meint man die Anordnung materialer Handlungszusammenhänge der Stadt in ihrer realen Ausprägung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Zweitens gibt es die Ökonomie des Arrangierens materialer Handlungszusammenhänge der Stadt in einem bestimmten Zeitabschnitt. Man spricht dann von dem Prozess, in dem die Akteure und Dinge eine städtische Situation über einen bestimmten Zeitraum produzieren, organisieren und anordnen. Die dritte Ebene der Komposition bilden die Darstellungen der materialen Handlungszusammenhänge der Stadt in ihrer realen Ausprägung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Der Fokus liegt hier auf dem Arrangement repräsentationaler Räume d.h. auf der Anordnung der in einer Repräsentation erscheinenden Elemente und der Beziehungen zwischen diesen Elementen. Diese außerhalb der Zeit stehenden Darstellungsräume kommen in zwei Weisen vor. Die erste Form ist die der Projektion. Diese Form nennt man Entwurf. Sie bezieht sich auf die Realisierung noch nicht existierender Gebäude oder Quartiere. Die zweite Form besteht aus der Notation bereits existierender Stadtsituationen. Die vierte kompositionale Ebene besteht aus Darstellungen der Ökonomie des Arrangierens materialer Handlungszusammenhänge der Stadt in einem bestimmten Zeitabschnitt. Unter der fünften Ebene verstehe ich den Prozess, in dem Darstellende einen Darstellungsraum von Stadt produzieren und organisieren. Auf der sechsten Ebene der Komposition schließlich verorten sich die Versammlungen von Darstellungsräumen von Stadt – wie etwa Bücher – ein. All diese Ebenen finden – in unterschiedlicher Form und Gewichtung – Eingang in die vorliegenden Untersuchungen.