Wie zusammen leben?
Wie zusammen leben?
»In welchem Abstand zu den anderen muß ich mich halten, um mit ihnen eine Gemeinschaft ohne Entfremdung, eine Einsamkeit ohne Exil zu verwirklichen?«
[Roland Barthes: Wie zusammen leben]
Im August 2013 kündigen sich etwa 30 Mitglieder des Theaternetzwerks cobratheater.cobra an, im Hotel? zu wohnen und vor Ort Workshops und Performances zu realisieren. Gedanklicher Ausgangspunkt ist die Frage Wie zusammen leben in Anlehnung an die Vorlesungen von Roland Barthes. Über einen Zeitraum von 10 Tagen werden nicht nur alle 18 Schlafkapseln des Hotel?s belegt sein, sondern das komplette Haus gemeinschaftlich belebt und die Frage des Zusammenlebens in immer neuen Kontexten gestellt werden.
»Die phantasmatische Kraft des Zusammenlebens:
harmonisch zusammenleben, gut miteinander auskommen:
Was gäbe es Faszinierenderes, was wäre beneidenswerter?
Paare, Gruppen, sogar (gelungene) Familien. Das ist der Mythos (das Trugbild?) im Reinzustand (...)«
[Roland Barthes: Wie zusammen leben]
Einleben
Kooperieren
Wir nutzen unser Netzwerk.
Freund:innen des Theaterkollektivs cobratheater.cobra haben eine kleine Förderung der Café-Royal Stiftung erhalten und planen am Rialto Kino in Wilhelmsburg einige Workshops und ein Theaterstück zu realisieren. Sie fragen uns ob wir uns vorstellen könnten auch daran teilzunehmen und einen Workshop anzubieten. Als einige von Ihnen an einem warmen Sommertag zum Besichtigen der UdN vorbeikommen wird schnell klar, dass es nicht bei einem kleinen Workshop unsererseits bleiben kann. Der Ort, das Hotel, die Küche, der Platz bieten sich an ihn zu nutzen. Wir fragen, ob sie sich nicht auch vorstellen könnten hier mit uns zu wohnen – im Hotel. Sie sagen sofort zu und planen nun auch das Hotel für ihre Performances und Installationen zu nutzen.
Beleben
Es wird drei Köch:innen geben, die aus den Geldern der Förderung bezahlt werden. Alles weitere (Schlafplätze, Frühstück, Bar) werden wir bereitstellen. Die Gruppe setzt sich aus unterschiedlichen Akteur:innen aus dem Theaterbereich zusammen, viele von ihnen wohnen nicht in Hamburg. Wir sind uns alle einig, dass es Sinn macht, alle Beteiligten zusammen an einem Ort unterzubringen, zumal die übergeordnete Frage der Zusammenkunft des Theaterkollektivs »Wie zusammen leben« lautet. Sie wollen hier nicht nur zusammen ein Theaterstück erarbeiten, sondern sich auch über das Wie des weiteren Zusammenarbeitens in einem losen Kollektiv unter einem Label klar werden.
Wir verstehen uns mehr als Gastgeberinnen, denn als Dienstleisterinnen. In der Gruppe wird es nicht schwierig zu erklären sein, dass der Hotelbetrieb nur aus der Gruppe heraus funktionieren kann. Wir werden trotzdem in unterschiedliche Arbeitsbereiche eintauchen: wir werden Wäsche waschen, einkaufen gehen, das Hotel erklären, Diskussionen führen, Kuchen backen, Kabel verlegen, Zettel ausdrucken, Installationen aufbauen, Interviews führen, Führungen geben, Feuer machen, Tischtennis spielen, Gute Nacht Geschichten erzählen, Nachts den betrunkenen Hotelgästen den Weg zu ihrem Schlafzimmern zeigen, ihnen Pullis ausleihen, weil es abends etwas kühl werden kann, gemeinsam essen, trinken, tanzen, wohnen, leben.
cobrafestival.cobra II
»Was heißt das, ein Zimmer bewohnen? Heißt einen Ort bewohnen, ihn sich aneignen? Was heißt, sich einen Ort aneignen? Ab wann wird ein Ort wirklich der Ihre? Ist es der Fall, wenn man seine drei Paar Socken in einer rosa Plastikschüssel eingeweicht hat? Ist es der Fall, wenn man sich auf einem Gaskocher Spaghettis warm gemacht hat? Ist es der Fall, wenn man alle einzelnen Kleiderbügel des Kleider- und Wäscheschranks benutzt hat? Ist es der Fall, wenn man eine alte Postkarte, die den Traum der heiligen Ursula von Carpaccio darstellt, mit einem Reißbrettstift an die Wand geheftet hat? Ist es der Fall, wenn man dort die Angstgefühle des Wartens oder die Überschwänglichkeiten der Leidenschaft oder die Qualen rasender Zahnschmerzen erlebt hat? Ist es der Fall, wenn man an den Fenstern Vorhänge nach seinem Geschmack angebracht, Tapeten geklebt und den Fußboden geschliffen hat?«