Early Career Lab

Autorin:
Heike Derwanz
Forschungsinitiative
Low-Budget-Urbanität

Methoden für ein interdisziplinäres Denk-Labor: What’s the value of saving costs? The Urban Economics and Politics of Everyday Saving Practices

Die Forschungsinitiative Low-Budget-Urbanität besteht aus sieben Projekten, die aus den Geistes- und Sozialwissenschaften, der Architektur und dem Bauingenieurwesen heraus entwickelt wurden. Low-Budget-Urbanität, so die These, ist durch das Zusammenwirken von Sparpraktiken in Städten geprägt, also Low-Budget-Praktiken in Bereichen wie Bauen, Konsumieren, Wohnen, Reisen und anderen Feldern. Der Phänomenbereich verweist auch auf die notwendige Vielfalt der Disziplinen, um Low-Budget-Urbanität zu untersuchen. Um den Pool der untersuchbaren Phänomene mit empirischen Beispielen zu vergrößern und das interdisziplinäre Arbeiten zu erproben, hat die Initiative NachwuchsforscherInnen im März 2013 zu einem viertägigen Workshop in die Universität der Nachbarschaften eingeladen. Die insgesamt 15 TeilnehmerInnen sollten unter der Fragestellung „What’s the value of saving costs?“ vor allem miteinander diskutieren können, welche Werte neben den gängigen finanziellen Kalkulationen entstehen, ob es methodische Schwierigkeiten gibt, diese zu untersuchen, und welche politischen Implikationen die Beschäftigung mit den Themen rund um Sparen und Armut auftauchen. Um diese Auseinandersetzung zu ermöglichen, musste für die Gruppe der TeilnehmerInnen aus Australien, Deutschland, Großbritannien, Italien, Polen, der Schweiz und den USA eine Arbeitssituation geschaffen werden, die das lineare Konferenzformat verlässt.

Auf geistes- oder sozialwissenschaftlichen Konferenzen sitzen die teilnehmenden WissenschaftlerInnen meist in einem abgedunkeltem Raum, damit frontal präsentierte Projektionen (Power Point usw.) gut sichtbar sind. Die Vortragenden stehen hinter einem Pult oder sitzen an einem Tisch, hinter ihnen werden Titel, Zitate oder Bilder an die Wand projiziert. Die ZuschauerInnen üben sich darin, Stunde um Stunde ihre Körper auf den Stühlen zu vergessen und sich auf die Abfolge meist zwanzigminütiger Vorträge und die nachfolgende Diskussion zu konzentrieren. Ihre Sitzplätze sind deutlich abgetrennt von den RednerInnen, Frontalunterricht nennen dies PädagogInnen. Die wichtigen Gespräche, so die Erfahrenen, finden in den Pausen statt: über einem schnellen Kaffee und Gebäck, im Stehen. Dieses Prozedere ist so etabliert, dass es jede Generation an jungen ForscherInnen wieder einübt. Doch es gibt viele gute Gründe, dies zu ändern. Um es zu durchbrechen, muss man an einigen Grundfesten rütteln: der Präsentationsweise von linear strukturierten Power-Point-Vorträgen, der räumlichen Aufteilung von statischer SprecherIn und statischer Gruppe in der durch den „Frontalvortrag“ ausgerichteten Raum jeder Person eigentlich kein darüber hinaus gehender Aktionsradius zur Verfügung steht. Also, was ist mit inspirierenden „Laboren“? Was ist mit Arbeitsformaten, die Vor-Ort Wissen generieren und das Programm somit an die aktuellen Fragen der TeilnehmerInnen angepasst ist?

Das Early Career Researchers Lab hat zur Herstellung eines solchen Labors die gesamte Struktur der UdN genutzt: viele kleine offene Arbeitsräume für Präsentationen und Arbeitsgruppen, einen großen Raum mit flexiblen kleinen Tischen, die Küche zum Kochen und Essen, die Schlafräume für die TeilnehmerInnen und den Garten für die Pausen.

Das zeitliche Format von Konferenzen wurde aufgebrochen: die TeilnehmerInnen lernten sich am ersten Tag dadurch kennen, dass sie ihre Arbeitsmaterialien in einem kleineren Arbeitsraum, der einem Themengebiet zugeordnet war, an die Wände brachten. Die gesamte Gruppe ging später durch die Räume, wo jede TeilnehmerIn die Idee Ihres Projektes vorgestellt hat. Inhaltliche Bezüge wurden durch räumliche Nähe sichtbar und zeigbar. Denn die Präsentationswände wurden zu einem Hauptbezugspunkt, der gut memorierbar war: Hier konnte man im Gegensatz zu Power-Point-Präsentationen physisch zurückkommen. Sie entfalteten die Materialien und ihr Potenzial für Querverbindungen, anstatt sie in hierarchisch-linearer Form zu parzellieren. Die Materialsammlung in dieser Form ist nicht mit Konferenz-Postern zu vergleichen, sie folgt keiner vorgeschriebenen Struktur und ist veränderbar. Die Präsentationen bilden den aktuellen Stand des Arbeitsprozesses ab, sie konnten nach den Inputs oder Gruppenarbeiten verändert werden, sich den aktuellen Wissensständen anpassen.

WissenschaftlerInnen bringen zu Tagungen weit mehr Wissen und Erfahrungen mit, als in den 20 Minuten ihres Vortrages und den nachfolgenden Fragen zu vermitteln sind. Um diese Reservoirs anzuzapfen, hatte jeder Tag des Labs einen Themenschwerpunkt. Inputs von ExpertInnen, Textarbeit und Gruppenarbeiten griffen hier ineinander, um zu gewährleisten, dass aktuelle Forschungsstände zirkulieren und gleichzeitig neues Wissen durch die interdisziplinäre Gruppe entsteht. Am letzten Tag des Labs wurden Publikationsformate und -optionen vorgestellt. Die TeilnehmerInnen haben sich zu zukünftigen Projektpartnerschaften zusammen gefunden und ihre Publikationen geplant.

Hätte man dies auch in einem Tagungshotel machen können, in einem Seminarraum, einem Konferenzzentrum? Natürlich nicht. Vor allem nicht Low-Budget.