HCU, UdN, UdM, UdZ? Notizen...
Autor:
Michael Koch
Lehrstuhl Städtebau und Quartierplanung
HCU Hamburg
„Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird wenn es anders wird; aber so viel kann ich sagen, es muss anders werden, wenn es gut werden soll.“ 1
Ein wunderbarer Aphorismus zur Notwendigkeit von Experimenten, um die Chancen von Verbesserungsmöglichkeiten zu erkunden, erforschen, auszuloten.
Die HCU wurde 2006 gegründet mit dem Anspruch, eine Universität neuen Typs zu werden. Was das genau heißen sollte, ist nie präzise definiert worden. Nur: anders als alle anderen sollte und würde sie sein: thematisch fokussiert, neu strukturiert, anders lehrend und forschend, gleichwohl sparsamer ausgestattet. Ein mit Abstand betrachtet interessantes Experiment, trotz aller Schwierigkeiten der Umsetzung, dessen Versuchsanordnung freilich nicht von Anfang an ausreichend geklärt war. Doch davon soll hier nicht die Rede sein. Die Neujustierung des Experimentes läuft, man darf gespannt sein.
Die Neugründung der HCU als Universität für „Baukunst und Metropolenentwicklung“ fiel mit der Ausrufung der IBA Hamburg 2013 zusammen, deren städtebauliches und stadtplanerisches Experimentierfeld die Elbinsel Wilhelmsburg sein sollte. Ihr Geschäftsführer Ulli Hellweg hat in den Gründungsprozess der Universität noch die Idee eingebracht, die HCU in Wilhelmsburg anzusiedeln. Allerdings war die Standortentscheidung schon gefallen und nicht änderbar. Nun zieht die BSU nach Wilhelmsburg und die HCU erhält in Hamburgs aufstrebender HafenCity ein neues Gebäude, wird zum Stadt-Baustein dieses neuen Stadt-Teils.
Was hätte eine HCU als Ausbildungs- und Forschungsstätte für Baukunst und Metropolenentwicklung inmitten von Wilhelmsburg leisten können? Zweifellos eine schwere Frage, die heute sowieso nur spekulativ zu beantworten wäre. Aber allemal eine interessante und herausfordernde Vorstellung von einer urbanistischen, möglicherweise produktiven aber sicher auch konfliktreichen Gemengelage.
Uli Hellweg verfolgte von Anfang an beharrlich das Ziel weiter, die neu gegründete HCU gleichwohl für die Themen der IBA zu interessieren und sie vor Ort präsenter zu machen. Das Grundstück des ehemaligen Gesundheitsamtes mit seinem leerstehenden Gebäude schien dafür geeignet. Mit dem von HCU und IBA zusammen ausgelobten interdisziplinären studentischen Wettbewerb „Experiment auf der Insel“ sollten die Möglichkeiten dafür erkundet werden. Nur wenige Entwürfe arbeiteten mit dem Gebäudebestand. Den ersten Preis erhielt eine Arbeit, die mit ihrem transformatorischen Ansatz die Idee der Restnutzung ins Spiel brachte.
Bernd Kniess übernahm nach seiner Berufung an die HCU die Federführung für die weitere Ausgestaltung dieses Experimentes. Es passte zum Versprechen der HCU, eine neue Universität werden zu wollen. Er erfand mit seinem Team dafür den Namen “Universität der Nachbarschaften UdN“ und verhandelte mit HCU-Präsidium und der IBA zusammen mit der Kulturfabrik Kampnagel die Rahmenbedingungen dafür, dass die UdN ein IBA-Projekt werden konnte. Ein Lehr- und Forschungsprojekt, das Lernen im Maßstab 1:1 ermöglichen sollte, dessen Struktur und Curriculum aber noch erfunden werden mussten. Schrittweise., beim Arbeiten mit Studierenden, Kollegen der HCU, der Wilhelmsburger Nachbarschaft sowie mit akademischen und nicht akademischen Gästen vor Ort.
Seither leistet das Team um Bernd Kniess herum Unglaubliches, weil eigentlich so gut wie alles gegen ein solches Projekt spricht. Immer wieder sind finanzielle, rechtliche, soziale, menschliche und technische Hürden zu nehmen. Die Arbeit ist ein ständiges „anders machen“ und auch „anders machen müssen“, damit die Ergebnisse der UdN „gut werden“, beziehungsweise überhaupt „gut werden können“. Ein universitärer Möglichkeitsraum, lebendiger Anschauungsunterricht für Prozesse der alltäglichen Stadtproduktion, Ort und Gegenstand für Diskussionen über zukünftige Anforderungsprofile an urbanistischer Ausbildung und Forschung.
Dass dabei das Team um Bernd Kniess immer wieder auch an Grenzen des Machbaren kommt, ist klar. Es wird beständig mit Problemen konfrontiert, deren Lösung nicht in ihre Zuständigkeit fällt. Zur Überforderung ist es dann nicht weit. Die Bereitschaft sich derartigen Risiken zu stellen, adelt das Experiment und diejenigen die es tagtäglich weiter vorantreiben. Hier wird disziplinäres Neuland erkundet.
Uli Hellweg hat der UdN immer die Stange gehalten, das universitäre Experiment als ein relevantes Experiment im Hinblick auf exemplarische Vorschläge für eine Ausbildung und Forschung, die Lösungen von gegenwärtigen und zukünftigen Problemen in den Städten sucht, kritisch und konstruktiv begleitet. Obwohl die UdN die IBA durchaus kritisch begegnet und am Beispiel Wilhelmsburg ganz eigene Vorstellungen von behutsamer Stadtentwicklung diskutiert und ausprobiert werden.
Auf die Auswertung des im Rahmen der UdN erarbeiteten Materials und der hier gemachten Erfahrungen darf man gespannt sein. Die Möglichkeiten und Bedingungen einer Übertragbarkeit auf andere „Brennpunkte“ der Stadtentwicklung werden zu diskutieren sein. Aber dass dieses Experiment neue Lehr- und Forschungsmethoden erkundet hat und deren Relevanz für eine angemessene Ausbildung vor Augen führt, ist offensichtlich.
Gernot Grabher hat für eine Vortragsreihe im Rahmen des StEP Prozesses den Titel UdM „Universität der Möglichkeiten“ gewählt. Im Rahmen dieser Reihe haben Vertreter unterschiedlichster Universitäten aus dem In- und Ausland berichtet warum und wie sie neue Wege universitärer Ausbildung und Forschung beschreiten.
Eine Universität neuen Typs, wie die HCU es sein soll und sein möchte, weil sie für alles andere zu klein ist, braucht universitäre Möglichkeitsräume, wie die UdN: Eine auf Baukunst und Metropolenentwicklung fokussierte Universität braucht neben urbanistischer Grundlagenforschung die Überprüfung der Relevanz von Ausbildungscurricula und Forschung für die fachlich aktive Teilnahme und Teilhabe an der alltäglichen Produktion von Stadt.
- Georg Christoph Lichtenberg, Mathematiker und Experimentalphysiker, 1796, in „Sudelbücher II, München 1971, S.450, Aph. K 293 ↩